Was ist Intelligenz?

Kategorie: Lernen, Schneller lesen

Jeder weiß, was Intelligenz ist. Oder nicht? Intelligenz ist ein Phänomen, das immer spannender wird, je näher man sich damit beschäftigt. Vieles, was offensichtlich "so ist", stimmt bei näherer Betrachtung gar nicht. ​

Dieser Artikel beschäftigt sich mit verschiedenen Formen der Intelligenz und wie man sie messen kann. Des Weiteren lesen Sie, wie Kinder in verschiedenen Bereichen gefördert werden können und ob man als Erwachsene noch so erfolgreich lernen kann wie in jüngeren Jahren.

Was ist Intelligenz überhaupt?

Vorab gesagt: eine einheitliche Definition gibt es nicht.

Schauen wir uns mal den Ursprung des Wortes an: "eligere" ist lateinisch und heißt "wählen". "inter" heißt "zwischen". Intelligenz ist also vom Wortursprung her die Fähigkeit zwischen Dingen wählen zu können. Welche exakte Fähigkeit jemand nutzt, um gut wählen zu können, ist allerdings schwer zu definieren.

Ganz allgemein geht es um die kognitive Leistungsfähigkeit. Wikipedia bringt es meines Erachtens gut auf den Punkt: "Da einzelne kognitive Fähigkeiten unterschiedlich stark ausgeprägt sein können und keine Einigkeit besteht, wie diese zu bestimmen und zu unterscheiden sind, gibt es keine allgemeingültige Definition der Intelligenz."

Es gibt also ganz unterschiedliche Definitionen von Intelligenz. Der Vollständigkeit halber: Es existiert auch eine rein biologische Perspektive auf das Thema.

Wenn man auf rein biologischer Ebene Intelligenz untersucht, dann kommen drei Parameter zum Vorschein, die unsere intellektuellen Leistungen beschreiben: Das Gehirnvolumen, die Gehirnschnelligkeit und die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses. Sicher wird die Hirnforschung bald messen können, wie es um diese Parameter bei einzelnen Menschen bestellt ist. Noch ist das jedoch nicht der Fall.


Verschiedene Formen von Intelligenz: 9 Kategorien nach Howard Gardner

Gardner hat das Konzept der multiplen Intelligenzen entwickelt. Für die Praxis empfinde ich seine 9 Kategorien als sehr hilfreich. Jahrzehntelang sah man nur die ersten beiden Kategorien als wesentlich an. Heute dagegen sehen viele den ganzen Menschen und empfinden die restlichen 7 Kategorien als genauso wertvoll.

1. Sprachliche Intelligenz

Sprachliche Intelligenz
  • Sprachgefühl, auch die Fähigkeit, die eigene Muttersprache gut zu beherrschen, ein gutes Gefühl für sprachliche Feinheiten, einen großen Wortschatz und Eloquenz.
  • Die Kompetenz, andere Sprachen leicht zu lernen.
  • Dazu gehört auch die Fähigkeit, Sprache treffsicher für bestimmte Zwecke einzusetzen und eigene Gedanken und Ideen gut auszudrücken.
  • Bei Kindern fördert man diesen Bereich mit Vorlesen, Geschichten und Witze erzählen sowie Diskussionen zu führen, auch wenn letzteres nervig sein kann 🙂 Wortspiele und das Schreiben von Tagebüchern.

    Berufe mit hoher sprachlicher Intelligenz sind Autoren, Dichter, Juristen oder Journalisten.

    Beispiel: Astrid Lindgren.



    2. Logisch-mathematische Intelligenz

    Mathematische Intelligenz
  • Mathematische Operationen fallen leicht und ganz allgemein ist das die Fähigkeit, mit Zahlen, Mengen und mentalen Operationen umzugehen.
  • Probleme und wissenschaftliche Fragen können gut logisch analysiert werden,
  • Beweisketten werden durchdacht, durch Abstraktion können Ähnlichkeiten zwischen Dingen erkannt werden.
  • Kinder kann man hier fördern durch logische Begründungen und Beweise, auch durch Regeln und Prinzipien, durch das Ordnen von Dingen und den spielerischen Umgang mit Zahlen und Rechnen.

    Berufe: Mathematiker, Wissenschaftler, IT-Spezialisten und auch Philosophen haben eine ausgeprägte logisch-mathematische Intelligenz.

    Beispiel: Marie Curie



    3. Musikalische Intelligenz

    Musikalische Intelligenz
  • Die Fähigkeit, in Musik zu denken und musikalische Rhythmen und Muster wahrzunehmen.
  • Melodien zu erinnern und sie wiederzugeben.
  • Kreativ mit Rythmen und Tönen umzugehen und Neues zu entwickeln.
  • Für Kinder ist musikalische Früherziehung ideal, denn sie fördert auch die anderen Intelligenzkategorien. Zusammen Singen und beim Lernen summen hilft, mit Kochlöffeln trommeln, gemeinsam musizieren und in Konzerte gehen.

    Berufe: Musiker, Dirigenten, Komponisten haben "Töne im Kopf" und auch Tontechniker. 

    Beispiel: Amy Winehouse



    4. Räumliche Intelligenz

    Räumliche Intelligenz
    • Visuelles wird gut wahrgenommen
    • Wer hier eine hohe Ausprägung hat, kann sich die Welt gut räumlich vorstellen und findet auch bei großen Parkplätzen das Auto wieder.
    • Im Kopf Figuren entwickeln und drehen können, hohe innere Vorstellungskraft und Ideenreichtum

    Bei Kindern fördert man diese Kategorie mit Puzzles, Tangram, Origami, mit optischen Täuschungen, Labyrinten und Irrgärten. Zeigen Sie Kindern, wie man Stadtpläne oder Karten liest und lassen Sie sich zeichnen und malen. Übrigens fördern Videospiele ebenfalls diesen Bereich.

    Berufe: Eine hohe räumliche Intelligenz haben Architekten, Bildhauer und auch Schachspieler.

    Beispiel: Lilly Reich, die mit Mies van der Rohe arbeitete und ihn geprägt hat



    5. Körperlich-kinästhetische Intelligenz (Körperbeherrschung)

    Körperintelligenz
  • Gute Körperkoordination: Der ganze Körper oder Hände/Füße werden geschickt eingesetzt.
  • Handwerkliches Geschick
  • Nachahmen von Bewegungsabläufen fällt leicht
  • Kinder brauchen viel Bewegung, wollen vielleicht unterschiedliche Sportarten ausprobieren. Gefördert wird dieser Bereich auch durch Rollenspiele, durch Baseln, Handwerken und ganz allgemein durch alles, wofür man Grobmotorik und Feinmotorik braucht.

    Berufe mit einer hohen Körperintelligenz sind Chirurgen und Zahnärzte, Schauspieler, Sportler und Handwerker, Mechaniker.

    Beispiel: Junko Tabei, die erste Frau, die den Mount Everest bestieg



    6. Naturalistische Intelligenz

    Naturalistische Intelligenz
  • Scharfe Beobachtungsgabe und Sensibilität für natürliche Formen und die Eigenschaften der Erde.
  • Erkennen von Unterschieden, von Mustern und Systematiken, Differenzierung, Kategorisierung und Klassifizierung.
  • Menschen mit hoher naturalistischen Intelligenz interessieren sich für die Natur, für das Verhalten von Tieren und die Feinheiten der Pflanzen.
  • Sie wollen bei Kindern diesen Bereich fördern? Dann gehen Sie mit ihnen wandern und campen, zeigen Sie ihnen verschiedene Vogelarten, Bäume, Büsche und Blumen. Beobachten Sie Frösche und Tiere im Zoo und legen Sie sich ein Haustier zu.

    Berufe sind Förster, Biologen, Umweltschützer, Natur-, Verhaltens- und Sozialforscher, auch Künstler und Landschaftsarchitekten

    Beispiel: Peggy Guggenheim



    7. Intrapersonale Intelligenz (Selbstwahrnehmung)

    Intrapersonale Intelligenz
  • Hohe Impulskontrolle (auch wenn die in der Pubertät erst mal verloren geht - sie kommt zurück)
  • Gute Wahrnehmung der eigenen Grenzen und der eigenen inneren Prozesse. Erkennen der eigenen Stärken und Schwächen.
  • Kluges Umgehen mit den eigenen Gefühlen und den eigenen Möglichkeiten
  • Mit Kindern sollten Sie deren Gefühle ernst nehmen und verbalisieren. Das fördert ein gutes Verständnis der inneren Abläufe. Nehmen Sie die eigene Meinung der Kinder ernst. Fördern Sie Warum-Fragen, auch wenn das nervig sein kann 🙂

    Berufe können sein: Schauspieler, Schriftsteller oder Künstler. 

    Beispiel: Emma Watson



    8. Interpersonale Intelligenz (Einfühlungsvermögen)

    Interpersonale Intelligenz
  • Hohe Empathie, gutes Einfühlungsvermögen, intuitive Wahrnehmung von Stimmungen, wahres Mitgefühl.
  • Fokus auf Dinge, die anderen Menschen wichtig sind. Menschen, die hier eine hohe Ausprägung haben, merken sich die Interessen und persönlichen Geschichten anderer Leute sehr gut.
  • Vorhersagen, wie andere Menschen reagieren werden.
  • Kinder fördern Sie hier, wenn Sie viel Zeit mit ihnen verbringen, Ihre Körpersprache einsetzen, wenn Sie Freundschaften fördern und selbst Empathie und Mitgefühl zeigen.

    Die meisten sozialen Berufe fordern ein gutes Einfühlungsvermögen, auch Therapeuten, Berater, Politiker, Verkäufer, Führungspersönlichkeiten, Diplomaten und Mediatoren.

    Beispiel: Mutter Theresa

    Hinweis:  Die Kombination aus Selbstwahrnehmung und Einfühlungsvermögen wird üblicherweise als "EQ" ausgedrückt, als Emotionaler Intelligenzquotient.



    9. Existentielle Intelligenz (Spiritualität)

    Existentielle Intelligenz
    • Tiefes Wissen, dass es mehr gibt zwischen Himmel und Erde als wir sehen. Dazu gehört auch eine große intuitive Wahrnehmung.
    • Gefühl von Anbindung an einen größeren Sinn und spirituelle Sensibilität.
    • Verständnis von Ethik und Moral, Sensibilität für die Grundfragen der menschlichen Existenz. Warum gibt es Leben? Warum müssen wir sterben? Warum gibt es Krieg? Was wird in Zukunft passieren? Was ist Liebe?

    Dieser Bereich spielt vielleicht beim Lernen in der Schule keine große Rolle, für ein erfülltes und gelingendes Leben jedoch durchaus.

    Kinder können Sie hier fördern, wenn Sie mit ihnen über das Leben und den Tod sprechen. Wenn Sie Fragen nach dem Sinn des Lebens oder der Liebe ernst nehmen, wenn Sie vielleicht beten oder meditieren oder darüber sprechen, was Sie glauben und was Ihre Aufgabe auf dieser Welt sein könnte.

    Menschen mit einer hohen Ausprägung in dieser Kategorie werden möglicherweise diese Berufe ergreifen: Meditationslehrer, Priester/Rabbi/Mullah, Medium, Yoga-Lehrer, Heiler oder Philosoph

    Als Gardner seine Multiplen Intelligenzen vorstellte, war das eine Revolution. Denn nun können wir weit mehr Menschen als "intelligent" bezeichnen als wir vorher im Blick hatten! Das ist ein sehr positives Menschenbild und tut allen Lernenden enorm gut.

    Jeder Mensch ist einzigartig und verfügt über ein unendliches Potential. Warum unendlich? Egal was wir tun, wir können es immer noch weiter verfeinern oder verbessern. Das Ende wird nie erreicht, auch wenn wir in irgendeinem Bereich zu einer wahren Meisterschaft gekommen sind.


    Tipp: In welchen Kategorien sind Sie stark?

    Gehen Sie nochmal kurz die 9 Kategorien durch und überlegen Sie sich, bei welchen Bereichen Sie besonderen Spaß daran hätten, Kinder zu fördern. Das, was Ihnen selbst am meisten Freude bereitet, ist auch Ihre Stärke.


    Andere Formen der Intelligenz: Kristalline und fluide I.

    Kristalline Intelligenz

    Kristalline Intelligenz im Alter

    Fluide Intelligenz

    Fluide Intelligenz in der Jugend

    Als Lerncoach arbeite ich oft mit Erwachsenen, die sich sorgen, dass sie nicht mehr so lernen können, wie sie das in der Jugend gewohnt waren. Aus diesem Grund erzähle ich oft von diesem hilfreichen Modell. 

    Fluide Intelligenz

    In der Kindheit und Jugend haben wir eine hohe Wahrnehmungsgeschwindigkeit, auch eine hohe Schnelligkeit und Merkfähigkeit.

    Dies nimmt im Alter ab und manche Menschen nehmen das als sehr schmerzlich wahr, indem sie sich auf das fokussieren, was sie nicht mehr so gut können.

    Kristalline Intelligenz

    Sehr spannend ist jedoch, dass wir eine Form von Erfahrungswissen aufbauen, das im Alter sogar zunimmt und den Rückgang der fluiden Intelligenz sogar überkompensiert.

    Dazu gehören Strukturierung und Einordnen von Wissen in größere Zusammenhänge, auch Genauigkeit und verbale Fähigkeiten. 

    Kristalline-fluide-Intelligenz

    Kurz gesagt, wenn wir uns im Alter ein neues Wissensgebiet erobern, dann sind wir zu Beginn vielleicht nicht so schnell, uns all die neuen Begriffe einzuprägen. Wir können jedoch in viel höherem Maße an unser Erfahrungswissen anknüpfen. Dadurch gewinnen wir eine Einsicht, die jüngeren Menschen noch verschlossen bleibt. Das bedeutet, dass wir tatsächlich auch im hohen Alter noch Neues hinzulernen können - wenn wir es denn wollen.

    Tipp: Neues im Alter lernen

    Wenn Sie schon ein paar Jahre Lebenserfahrung hinter sich haben und Sie wollen etwas Neues lernen, dann machen Sie sich folgende Tatsache bewusst: Im Alter filtert Ihr Gehirn unwichtige Dinge nicht so gut heraus wie das von Jüngeren. Dadurch kann das Abspeichern der wesentlichen Informationen gestört werden. 

    Achten Sie daher besonders auf Ihren Fokus. Arbeiten Sie ganz konsequent mit Lernzielen und exakten Fragestellungen. Dann werden Sie im Alter beim Lernen sogar besser abschneiden als Jüngere.


    IQ-Test

    Intelligenztests

    1905 haben die Herren  Alfred Binet und Théodore Simon die sogenannte Psychometrie begründet. Seither gibt es Verfahren, mit denen man Intelligenz messen kann. Alles, was man in eine Zahl packen kann, scheint messbar und objektiv zu sein. 

    Jedoch existiert bis heute keine Definition der menschlichen Intelligenz, die von der Wissenschaft einheitlich abgenickt werden kann. Es gibt vielmehr eine Vielzahl von Intelligenztheorien, -modellen, -kategorien und -dimensionen. Daneben gibt es Strukturmodelle und die Beschreibung von kognitiven Prozessen wie dem Arbeitsgedächtnis und der Verarbeitungsgeschwindigkeit. Wieder andere unterscheiden Grundprozesse der Intelligenz auf der Ebene der Assoziationen und einer anderen Ebene der kognitiven Fähigkeiten. Manche versuchen, die Auswirkungen von Intelligenz zu beschreiben und andere die Informationsverarbeitung. Noch mal eine weitere Sichtweise ist die 2-Faktoren der kristallinen und fluiden Intelligenz.

    Wie kann man bei einer solchen Vielzahl an Sichtweisen einen einheitlichen Test generieren?

    Ein Test misst immer nur das, wofür er konzipiert ist. Alles andere lässt er außen vor und es wird nicht gemessen. Trotzdem gibt es natürlich Tests, die eine Art übergeordnete Form von Intelligenz messen. Dazu gehören die Verarbeitungsgeschwindigkeit, die geistige Kapazität und die intellektuelle Leistung. 

    Was messen Intelligenztests?

    Tests können immer nur verschiedene Bereiche der Intelligenz messen. Bei manchen braucht man Vorwissen, so dass das Ergebnis auch vom Bildungsgrad abhängt. Das ist in meinen Augen besonders fatal, denn ein IQ sollte doch nicht von der Bildung abhängen. Wieder andere Tests messen eine Vielzahl an ganz unterschiedlichen Fähigkeiten.  

    Habe ich Sie verwirrt? Hoffentlich nicht. Eines jedoch ist hoffentlich klar geworden: Es werden in den verschiedenen Tests nicht dieselben Fähigkeiten erfasst, IQ ist nicht gleich IQ und DEN IQ-Test gibt es gar nicht.

    Ich will Ihnen sagen, warum mir das so wichtig ist. Beim Lernen spielt es eine wesentliche Rolle, was ein Mensch über sich selbst und das eigene Potential glaubt. Dazu habe ich unzählige Studien gelesen. Eine beispielhafte Zusammenfassung ist hier: klick. Kurz gefasst ist es so: Wenn jemand glaubt, dass man die eigene Intelligenz verbessern kann, steigen die eigenen Leistungen in Studium oder Schule.


    Lesen Sie wohl!

    Ihre 

    Astrid Brüggemann

    Motion Reading ist eine systematisierte und moderne Schnell-Lese-Technik, mit der man wesentliche Informationen aus Texten ungewöhlich schnell erfassen und verarbeiten kann.

    Weiter lesen:

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