Was ist Neurodiversität? Einfach erklärt

Kategorie: Diversity

Neurodiversität einfach erklärt - obwohl sie enorm komplex ist. Neurodiversität beschreibt die enorme Vielfalt, mit der unsere Gehirne verdrahtet sind. Neurologische Variationen gehören zur menschlichen Vielfalt genauso wie unterschiedliche Augenfarben oder Körpergrößen.

Das bedeutet, dass die Art und Weise, wie Menschen denken, wahrnehmen und Informationen verarbeiten, sehr unterschiedlich sein kann. Lasst uns diese Unterschiede würdigen und respektieren, genau wie wir das mit der Biodiversität im Pflanzen- und Tierreich tun.

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Was gehört zu Neurodiversität?

Der Begriff Neurodiversität wird überwiegend als Oberbegriff für neurologische Phänomene verwendet. Darunter fallen Autismus, Legasthenie, ADHS, Dyskalkulie, Dyspraxie und auch Hochsensitivität. Diese Phänomene können sich auf die Art und Weise auswirken, wie eine Person kommuniziert und Informationen verarbeitet, und sie können auch ihre sozialen Fähigkeiten und ihr Verhalten beeinflussen.

Woher kommt die Bezeichnung "Neurodiversität"?

Judy Singer, eine Soziologin, prägte den Begriff 1998. Sie widersprach der Vorstellung, dass Menschen mit Autismus behindert sind. Sie sagte, dass manche Gehirne einfach anders funktionieren. Autismus beschrieb sie als ein Persönlichkeitsmerkmal, das nicht verändert werden muss.

Der Begriff "Neurodiversität" wird verwendet, um die Stigmatisierung zu verringern und eine Normalität am Arbeitsplatz und in der Bildung zu fördern. Unterschiede sind normal und stellen keine Beeinträchtigungen dar.
Mittlerweile wird die Bezeichnung auch in der Wissenschaft verwendet, um biologische und genetische Variationen des menschlichen Gehirns und der Kognition zu benennen, z. B. in Bezug auf Kontaktfreudigkeit, Lernen, Aufmerksamkeit, Gemütslage und andere geistige Funktionen.

Begriffe der Neurodiversität einfach erklärt

neurodivers

Das Gehirn funktioniert anders  und ist anders verdrahtet als das "typische" oder "durchschnittliche" Gehirn.

neurotypisch

Das Gehirn ist neuronal so entwickelt, wie es der Norm entspricnt.

Der Begriff wurde in den 1990er Jahren vom "Autism Rights Movement" entwickelt. Diese Bewegung setzt sich für die Rechte und die Inklusion von Menschen mit Autismus ein. Mittlerweile benennt die wissenschaftliche Community normal entwickelte Gehirne so.

Autismus

Autismus oder medizinisch "Autismus-Spektrum-Störung" (ASS), ist ein neurologisches Phänomen, das die Art und Weise beeinflusst, wie eine Person kommuniziert und Informationen verarbeitet. Der Schweregrad von Autismus kann sehr unterschiedlich sein. Einige Autisten leben "normal", während andere Unterstützung im Alltag benötigen.

Legasthenie

Legasthenie beeinträchtigt bei Alphabetsprachen das Lesen und das Schreiben von Zeichen. Sie hat nichts mit Intelligenz, Motivation oder gar Faulheit zu tun und beruht vermutlich auf einem ungewöhnlich starken räumlichen Vorstellungsvermögen, das die zweidimensionale Decodierung von Buchstaben durcheinander bringt.

 

Dypraxie

wirkt sich auf die Koordination aus. Sie beeinträchtigt die Fähigkeit einer Person, Bewegungen zu planen und zu koordinieren. Menschen mit Dyspraxie können Schwierigkeiten mit feinmotorischen Aufgaben haben, wie z. B. Schreiben oder das Binden von Schnürsenkeln, und sie können auch Probleme mit dem Gleichgewicht haben.

Dyksalkulie

beeinträchtigt das Verstehen von Zahlen, das numerische Denken und mathematische Konzepte. Sie hat nichts mit Intelligenz oder Motivation zu tun.

 

Hochsensitivität

bezeichnet eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Reizen. Hochsensitive Menschen können leichter von lauten Geräuschen, hellem Licht, starken Gerüchen oder anderen intensiven Sinneserfahrungen überwältigt werden. Sie nehmen Emotionen anderer Menschen stärker wahr und haben eine höhere Wertschätzung für Kunst, Musik und Ästhetik.

Ist Autismus etc. eine Krankheit?

Sind neurodiverse Phänomene krankhaft? Leidet man unter Autismus? Ist es eine psychische Störung, ist also die psychische Gesundheit beeinträchtigt? Dazu gibt es verschiedene Gesichtspunkte und ich werde sie am Beispiel von Autismus erörtern. Die Überlegungen gelten auch für ADHS, Legasthenie etc.

Eine Krankheit ist eine Störung im Körper oder eine Störung des psychischen oder seelischen Wohlbefindens. Ein kranker Mensch hat den Wunsch, geheilt zu werden. Es gibt hier drei Punkte, die wesentlich sind:
1.  Die Innensicht der Personen selber,
2. die Außensicht auf Autist:innen, und
3. den Schweregrad.

Innensicht

1. Autist:innen haben selbst ganz überwiegend nicht den Wunsch, den Autismus "loszuwerden", denn er ist ein zentraler Bestandteil der Persönlichkeit und der eigenen Identität. Ehrlichkeit ist zum Beispiel ein zentraler Wert bei vielen Autist:innen. Die Vorstellung, neurotypisch zu werden und dann unehrlich zu agieren, wie man es bei der neuronalen Mehrheit beobachten kann, ist nicht erstrebenswert. Das gilt für viele andere Punkte ebenso.

Außensicht

2. Von außen kann das Verhalten von Autist:innen fremdartig, nervig und vielleicht sogar abschreckend wirken. Ist es also eine Störung? Eine psychische Störung ist eine deutliche Abweichung von der gesellschaftlichen oder medizinischen Norm. Betrachtet werden Denken, Fühlen, Wahrnehmung und Verhalten.
Wenn jede Normabweichung als Störung definiert wird, dann fällt Autismus darunter. Dies ist die therapeutische Sicht.
Mittlerweile gibt es ein weiteres Kriterium, das eine Störung definiert: Die Frage, ob psychisches Leid vorliegt oder nicht.

Schweregrad

3. Damit kommen wir zum Schweregrad. Bei Autismus bzw der Autismus-Spektrums-Störung (ASS) wird nicht mehr zwischen frühkindlichem, atypischem oder Asperger-Autismus unterschieden, wie man das früher tat. Man unterscheidet mittlerweile 3 Schweregrade anhand des benötigten Unterstützungsbedarfs. Ist ein Autist schwer im Alltag beeinträchtigt, ist es legitim, von einer Störung zu sprechen.

Fazit 

Selbst wenn ein Mensch die Welt anders wahrnimmt und sich daher eigenartig verhält, gehört zur Frage, ob eine Störung vorliegt, immer die Innensicht der Person. Liegt psychisches Leid vor oder nicht? Leidet eine Person an ihrer Umwelt und an den Reaktionen anderer Menschen, können tatsächlich psychische Krankheiten wie zB Depressionen auftreten.

Was ist normal?

Wenn man Neurodiversität wirklich ernst nimmt, dann sind alle Menschen neurodivers, weil alle ein sehr individuelles Gehirn haben. Welche Aspekte bei Neurodiversität eine Rolle spielen können, zeigt folgende Grafik:

Neurodiversität einfach erklärt

Das Konzept der Neurodiversität stellt die Vorstellung in Frage, dass es eine "normale" oder "durchschnittliche" Denkweise gibt und dass jede Abweichung davon ein Problem darstellt, das behoben werden muss. Eine menschenfreundlichere Sichtweise ist: Menschen mit neurologischen Unterschieden haben einzigartige Stärken und Fähigkeiten.

In all dieser Vielgestaltigkeit gibt es Wahrnehmungen und Verhaltensweisen, die eher der Norm entsprechen. Es gibt auch solche, von denen die Mehrheitsgesellschaft definiert, dass sie von der Norm abweichen. Ein Individuum kann daher neurodivergent sein. Damit ist einfach eine höhere Abweichung von der Norm gemeint.

Neurodiversität einfach erklärt Ausprägungen

Wir sind alle Menschen

Letztlich ist jedes Verhalten, das Menschen an den Tag legen, menschlich. Auch wenn es uns unverständlich oder fremd erscheinen mag. Wesentlich ist daher, dass Menschen in der Lage sein sollten, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu leben, ohne wegen ihrer Unterschiede beurteilt oder stigmatisiert zu werden.

Neurologische Andersartigkeit kann ein Nachteil, eine Störung oder sogar eine Behinderung sein. Menschen, die höhere oder niedrigere Ausprägungen „im Spektrum“ haben, sind in ihrem Leben mit Herausforderungen konfrontiert, die sich neurotypische Personen manchmal nicht einmal vorstellen können. Über diese Herausforderungen wird viel gesprochen. Ich möchte daher meinen Fokus auf die Stärken richten.

Besondere Stärken und Fähigkeiten

Autist:innen können zum Beispiel eine außergewöhnliche Aufmerksamkeit für Details haben, einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, ein extrem hohes Qualitätsbewusstsein. Sie können auch die Fähigkeit besitzen, sich über einen längeren Zeitraum auf eine einzige Aufgabe zu konzentrieren. Im Ingenieurswesen oder in der Softwareentwicklung sind diese Begabungen sehr vorteilhaft.

Manche Autist:innen sind intuitive Schnell-Leser und können Texte enorm schnell erfassen. Ich habe diese Fähigkeit untersucht und eine Methode entwickelt, mit der alle Menschen enorm schnell Lesen lernen können.

Menschen mit Legasthenie können kreative Problemlöser sein und über ein brillantes räumliches Vorstellungsvermögen verfügen. Daher finden sich in der Architektur und im Design viele Legastheniker, die ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten selbst ganz normal finden.

Personen mit ADHS können eine höhere Risikobereitschaft haben, die sie zu Außergewöhnlichem befähigt. Auch unternehmerisches Denken und ganz allgemein hohe Innovationskraft finden sich bei „ADHS-lern“.

Neurodiversität nützt uns allen

Neben der Anerkennung der Stärken von Menschen mit neurologischen Besonderheiten ist es wichtig, sie zu unterstützen, wenn sie Unterstützung brauchen. Dazu kann es gehören, ihnen Zugang zu Bildung, Beschäftigung und anderen Möglichkeiten zu verschaffen, aber auch darauf hinzuwirken, dass sich die Einstellung ihrer Umgebung ändert und die Stigmatisierung verringert wird.

Die Vielfalt des menschlichen Gehirns ist eine Stärke und keine Schwäche. Auch neurologischen Minderheiten gebührt Unterstützung und Respekt, damit alle Menschen ein erfülltes und produktives Leben führen können. Indem wir die neurologische Vielfalt anerkennen, können wir eine inklusivere und tolerantere Gesellschaft schaffen, in der jeder seinen Beitrag leisten und sich entfalten kann. Das kommt uns allen zugute, wie wir aus der Biodiversität schon lange wissen. 

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