Verarbeitung von komplexen Sachverhalten
Die Verarbeitung von komplexen Informationen hat sich in den letzten Jahren massiv entwickelt: Maschinen versetzen uns in die Lage, in Höchstgeschwindigkeit riesige Datenmengen zu verarbeiten und zu analysieren. Algorithmen können Schlüsse ziehen und Prozesse optimieren. Tools mit künstlicher Intelligenz fassen umfangreiche Vertragsdokumente zusammen. Bei all dem bleibt ein wichtiger Faktor auf der Strecke:
Die menschliche Informationsverarbeitung
Damit ist das persönliche Verständnis von komplexen Sachverhalten gemeint und unser Umgang damit. An Informationen mangelt es normalerweise nicht. Doch sie nützen nur etwas, wenn wir sie richtig einordnen können. Unsere Aufgabe besteht oft darin, mit der Informationsflut umzugehen. Wünschen auch Sie sich manchmal, diese Flut zu bändigen?
Die wichtigste Fähigkeit dabei ist, sich auf das in diesem Moment Wesentliche zu konzentrieren. Wie schafft man es, die unwichtigen Details auszublenden? Es gibt dafür eine bewährte Methode.
So bringen Sie komplexe Sachverhalte auf den Punkt
Erklären Sie es einem Kind. Ohne Fachbegriffe und ohne Fremdworte. Mit einfachen Sätzen. Wenn wir unsere Konzepte einem Kind nicht erklären können, dann haben wir sie selbst noch nicht gut genug verstanden.
Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen: Das kann richtig schwer sein. Sie stellen beim Erklären fest, dass Sie irgendwo hängen bleiben? Glückwunsch, dann haben Sie eine Wissenslücke entdeckt! Durchdenken Sie das Konzept noch einmal und notieren sich die Punkte, bei denen Sie unsicher sind. Füllen Sie Ihre Verständnislücken.
Erst, wenn Sie in der Lage sind, Ihr Thema einem Kind zu erklären, haben Sie es verstanden. Denken Sie an die Sendung mit der Maus. So bringen Sie auch komplizierte Dinge auf den Punkt. Schreiben Sie sich die Essenz auf. Wir beschummeln uns selbst recht gern. Indem wir Dinge aufschreiben, ist das weniger einfach.
Diese Methode hat übrigens Richard Feynman entwickelt und hat durch ihre konsequente Anwendung den Nobelpreis für Physik erhalten.
Eine solche Herangehensweise ist ein echtes Bootcamp für Ihre Gedanken. Etwas langatmig und kompliziert zu erklären ist leicht. Schwer ist es, Dinge herunterzubrechen auf ihren wesentlichen Kern. Üben Sie sich in dieser Kunst, dann wird es wieder leichter und leichter :).
Umgang mit komplexen Informationen in Projekten
Wenn in Projekten mehrere Parteien mit unterschiedlichen Aufgaben und Interessen zusammenarbeiten, entscheidet die Kommunikation darüber, ob ein Projekt gelingt oder floppt. Üblicherweise konzentriert man sich bei der Optimierung der Kommunikation auf die mündliche Ebene. Menschen sollen so miteinander sprechen, dass alle Ziele und Interessen im Sinne des gemeinsamen Projekterfolges verfolgt werden.
Es ist jedoch die schriftliche Kommunikation von Informationen, die über den Projekterfolg entscheidet.
Drei Beispiele werden das verdeutlichen:
1. Beispiel: Agile Teams in der Software-Entwicklung
Agile Teams sind häufig mit komplexen Fragestellungen konfrontiert. Die Product Owner bilden eine wichtige Schnittstelle zwischen dem Kunden und dem Team. Sie beschaffen die benötigten Informationen in Absprache mit dem Kunden und stimmen sie schriftlich ab.
In einer idealen Welt schreiben Product Owner die Themen gut verständlich auf, um sie an ihr Team weiterzugeben. Sie strukturieren und vereinfachen die Dinge. Ziel ist, dass nichts verloren geht und gleichzeitig alle Teammitglieder genau wissen, worum es geht. Die Teammitglieder lesen diese Dokumentation und diskutieren dann nicht, WAS zu tun ist, sondern nur über das WIE der Umsetzung. Alle haben dasselbe Verständnis der Sachverhalte. Dies ist das Idealbild. In der Realität werden allerdings sehr viele Informationen nur mündlich weiter gegeben.
Kennen Sie das? Die Informationsweitergabe erfolgt hauptsächlich in mündlichen Meetings (Dailys). Was halten Sie von den Diskussionen, die in diesen Meetings stattfinden? Ausgelöst werden die Debatten oft, weil sich viele Teammitglieder komplexe Sachverhalte leichter in der Diskussion mit anderen aneignen. Das Lesen von Berichten oder Dokumentationen wird gerne vermieden, obwohl das die effizienteste Möglichkeit wäre, alle auf denselben Wissensstand zu bringen. Auch im späteren Projektverlauf könnten sich neu hinzugekommene Teammitglieder auf denselben Wissensstand bringen, wenn sie sich lesend informieren.
Für das oben skizzierte Idealbild gibt es mehrere Voraussetzungen:
- Schriftliche Informationen sind immer auf dem neuesten Stand.
- Komplexe Sachverhalte sind strukturiert und einfach verschriftlicht.
- Teammitglieder sind in der Lage, die Informationen effizient zu lesen und sie gut zu verstehen.
Wesentliche Informationen, in Schriftform präzise aufbereitet, bilden die Basis für erfolgreiche Projekte. Das entsprechende Lesen rundet es ab. Jedoch empfindet nicht nur die "Generation Klick" das gute alte Lesen als mühsam.
Die Folgen sind viele ineffiziente Meetings und Diskussionen oder unnötige Schleifen bei der Entwicklung. Auch der Zeit- und Kostenrahmen kann dadurch gesprengt werden.
2. Beispiel: Großprojekte im industriellen Anlagenbau
Dokumentationen sind in der Praxis unbeliebt und werden daher oft vernachlässigt. Selbst bei der Planung von millionenschweren Industrieanlagen werden viele Einzelheiten nur mündlich besprochen und vereinbart. Ein Vertrag zwischen den beteiligten Unternehmen kann nie vollständig und eindeutig sein, weil im Vorfeld viele Dinge noch unklar sind. Während der Laufzeit des Vertrages werden dann Punkte zwischen den Vertragspartnern mündlich besprochen und durch Hörensagen weiter gegeben. Dabei kann es um viele Kleinigkeiten gehen, die am Ende des Projektes sehr teuer werden können.
Bei firmenübergreifenden Großprojekten sind Kommunikationsprozesse nicht standardisiert. Jedes Unternehmen braut sein eigenes Süppchen. Daher gibt es firmenübergreifende Transmittals. Jede Information erhält eine Nummer. Die Beteiligten übermitteln die Information an den Transmittalbeauftragen, der hält alle Dokumente und Informationen aktuell und entscheidet, an welchen Verteilerkreis die jeweilige Information weitergeschickt wird. Das ist in der Praxis so aufwändig wie es in der Theorie klingt und daher wird dieses System nur für große Entscheidungen genutzt und nicht für kleinere Themen oder für Telefonate.
Die Projektleitung sorgt auf der Baustelle für die Umsetzung. Viele Einzelheiten können jetzt erst entschieden werden. Da kleinere Themen mündlich besprochen werden, erfolgt die Umsetzung nach Hörensagen! Jemand hat gehört, dass Entscheidung x irgendwann so besprochen wurde und dass nun y zu erfolgen hätte.
Die Folgen sind viele vermeidbare Diskussionen und Verhandlungen. Missverständnisse bei Zuständigkeiten, was sehr teuer werden kann. Tätigkeiten, die nicht vertraglich gedeckt sind und "umsonst" geleistet werden. Teure Zeitüberschreitungen, weil der kritische Pfad durcheinander gerät.
Eine Abhilfe wäre ein firmenübergreifendes Wiki, in dem schriftlich alle Punkte festgehalten werden können.
3. Beispiel: Krankenkassen
Viele Sachbearbeiter:innen in Krankenkassen oder Behörden haben eine schwierige Aufgabe. Sie müssen Inhalte zum Beispiel des Sozialgesetzbuches so runterbrechen, dass sie am Telefon die Antworten verständlich den Kunden erklären können.
Das ist eine echte Übersetzungsaufgabe. Sie müssen die Sachverhalte einerseits juristisch korrekt wiedergeben und sie andererseits allgemeinverständlich erklären. Die dahinter liegende Fähigkeit ist, aus einem schwierigen Text den Kern herauszufiltern.
Geht das schief, gibt es Fehlentscheidungen, wütende Beitragszahlende sowie Ärger und Missstimmung im Team.
Auch hier könnte ein Wiki viele dieser Schwierigkeiten lösen.
Fazit aus den 3 Beispielen
Liegen alle wesentlichen Informationen in schriftlicher Form vor und sind aktuell? Haben alle Beteiligte Zugriff darauf und sind in der Lage, alles für sich Wesentliche herauszulesen? Weiß jeder, was wann zu tun ist?
Herzlichen Glückwunsch, dann ist das Projekt ein Ausbund an Effizienz und Produktivität. Es wird im Zeit- und Kostenrahmen bleiben und die Stimmung wird gut sein, weil unvorhergesehene Themen auf entspannte Weise geklärt werden können. Wollen wir hoffen, dass alle Ihre Vorhaben so gut gelingen.
Komplexe Sachverhalte gut verschriftlichen
Wissen ist Macht und wird nur dosiert weiter gegeben. Nach dieser Devise wurde in vielen Projekten des letzten Jahrtausend gearbeitet. Heute liegt der Fokus auf Zusammenarbeit und gemeinsamem Verständnis.
So können Sie die Kooperation und die Kollaboration fördern und komplexe Sachverhalte gut verständlich aufschreiben:
- Strukturieren Sie das Thema.
- Bedenken Sie dabei, welche Informationstiefe benötigt wird.
- Reduzieren Sie es auf das Wesentliche.
- Vereinfachen Sie es: Schreiben Sie so, dass unbeteiligte Dritte es verstehen könnten.
Schwierige Themen vereinfachen
Die Kunst der Vereinfachung beginnt im Kopf. Ein Hilfsmittel, das sich für mich dabei sehr bewährt hat, ist die MindMap. Genauer: eine MindMap, die ich mit der Hand zeichne. Das Erstellen einer MindMap von Hand ist dem Computer weit überlegen, weil man mit Stift und Papier nichts schieben oder ändern kann. Diese "Starrheit" führt zu präziserem und fokussierterem Denken, denn man muss sich vorher überlegen, wo welche Punkte stehen sollen.
Sie wollen sich mal daran versuchen? Ein Tipp für den Anfang: Strukturieren Sie bei der nächsten längeren Mail den Inhalt in einer MindMap, egal um welche Themen es dabei geht.
Nehmen Sie sich dazu ein Blatt Papier und schreiben Sie das Kernthema in die Mitte. Dann gliedern Sie das Thema in Hauptargumente oder Kapitel oder Themen, die sich um das Kernthema ranken. Erst dann machen Sie sich Gedanken um die Details.
Möglicherweise fällt das zu Beginn schwer, weil es ungewohnt ist.
Wenn Sie sich auf diesen Weg wagen, werden Sie bemerken, dass in Wahrheit viele Sachverhalte vielschichtig sind oder umfangreich, aber nicht mehr komplex.